Bevor du in einem Altbau die alte Heizung austauschst, die Küche modernisierst oder die Dachgeschosswohnung ausbaust, musst du wissen: Wo genau laufen die Leitungen? In vielen Häusern aus den 1920er, 1950er oder sogar 1900er Jahren gibt es keine sauberen Pläne. Die Rohre wurden damals einfach eingebaut - oft ohne Dokumentation, manchmal sogar durch Wände, die später verputzt wurden. Und wenn du dann mit dem Bohrer loslegst, kannst du leicht einen Wasser- oder Abwasserkanal durchtrennen. Das kostet nicht nur Zeit, sondern oft mehrere tausend Euro an Schadensersatz.
Warum ist die Bestandsaufnahme so entscheidend?
Ein Altbau ist kein Neubau. Hier laufen oft drei, vier oder sogar fünf verschiedene Leitungssysteme durch die Wände: Wasser, Abwasser, Gas, Strom und manchmal sogar alte Heizungsrohre aus Blei oder Kupfer. Sie wurden in unterschiedlichen Sanierungsphasen verlegt - ohne Rücksicht aufeinander. Die meisten Hausbesitzer glauben, sie hätten die Pläne. Doch laut einer Studie des Bundesverbands Deutscher Baumeister (2024) sind in 87 % der Fälle die originalen Unterlagen unvollständig, verloren oder einfach falsch.
Was passiert, wenn du das ignorierst? Ein konkretes Beispiel: In München wurde 2024 ein Gebäude aus 1880 saniert. Die Planer gingen davon aus, dass der Abwasserkanal unter der Küche verläuft. Sie bohrten, um die neue Spüle anzuschließen - und trafen auf einen alten, verlegten Kanal, den niemand mehr kannte. Die Reparatur kostete 12.500 Euro. Ein Fehler, der mit einer einfachen Kartierung vermeidbar gewesen wäre.
Die Bundesregierung hat das längst erkannt. Seit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) von 2021 ist eine detaillierte Bestandsaufnahme Pflicht, wenn mehr als 15 % der Gebäudehülle saniert werden. Und das ist kein Bonus - das ist die Grundlage für jede sinnvolle Sanierung. Ohne sie riskierst du nicht nur Schäden, sondern auch teure Nachbesserungen, Verzögerungen und sogar Strafen bei Förderanträgen.
Was genau wird bei der Kartierung erfasst?
Es geht nicht nur darum, „irgendwo“ eine Leitung zu finden. Es geht um präzise Daten: Wo genau liegt sie? Welcher Typ ist es? Welcher Zustand hat sie? Wie dick ist das Rohr? Und wie tief ist sie verlegt?
Bei Wasserleitungen und Gasleitungen ist eine Genauigkeit von ±5 cm nötig. Bei Abwasserkanälen reichen ±10 cm aus - aber nur, wenn es keine Sanierung mit neuen Materialien gibt. Bei denkmalgeschützten Gebäuden fordert das Grundbuchbereinigungsgesetz sogar ±2 cm. Das ist kein Luxus, das ist technische Notwendigkeit. Denn wenn du ein neues Badezimmer einbaust, musst du wissen, ob du 10 cm rechts vom alten Abfluss bohren kannst - oder ob du direkt auf einen 120-jährigen Ziegelkanal triffst.
Die Dokumentation umfasst heute nicht mehr nur Skizzen auf Papier. Modern ist ein digitales Modell - oft als Punktwolke oder BIM-Modell. Jede Leitung wird als 3D-Objekt erfasst, mit Materialangabe, Durchmesser, Alter und Zustand. Diese Daten werden später in der Planung genutzt: für die Berechnung von Neigungswinkeln, für die Auswahl der richtigen Rohrverbindungen, für die Koordination mit anderen Gewerken. Ohne diese Daten läuft die Sanierung im Dunkeln.
Welche Methoden gibt es - und welche sind wirklich zuverlässig?
Es gibt viele Methoden, aber nicht alle sind gleich gut. Die klassische Sichtprüfung - also jemand, der durch den Keller kriecht und schaut - findet nur 45 bis 60 % der verborgenen Leitungen. Das ist zu wenig. In einem Haus aus den 1930er Jahren mit verputzten Wänden und mehreren Sanierungsphasen ist das ein Risiko.
Die bewährte Kombination heute ist Laserscanning + Ground Penetrating Radar (GPR). Laserscanning erfasst die gesamte Raumgeometrie mit einer Genauigkeit von 2-3 mm. Es zeigt dir, wo Wände, Decken, Bodenplatten liegen. GPR sendet Radarwellen in die Wände und zeigt, wo sich Metall, Kunststoff oder Stein verstecken. Zusammen erreichen sie eine Erkennungsrate von 92 %. Das ist der aktuelle Standard.
Thermografie ist nützlich - aber nur für bestimmte Fälle. Wenn eine Heizungsleitung warm ist, zeigt die Wärmebildkamera sie als helle Linie im Mauerwerk. Erfolgsquote: 85 % bei Wasserleitungen, nur 65 % bei elektrischen Leitungen. Warum? Stromleitungen erzeugen kaum Temperaturunterschiede. GPR funktioniert dagegen unabhängig von der Temperatur - aber nur bis zu einer Tiefe von 20-40 cm. In feuchtem Mauerwerk wird die Reichweite halbiert.
Die Bohrwiderstandsmethode ist eine kleine, aber mächtige Technik. Mit einem speziellen Gerät bohrt man ein winziges Loch und misst den Widerstand des Materials. So kannst du feststellen, ob hinter dem Putz Holz, Ziegel oder ein Rohr liegt - und das mit einer Genauigkeit von ±0,5 mm. Besonders nützlich bei alten Deckenkonstruktionen, wo Leitungen oft durch Balken verlaufen.
Ein weiterer Tipp: Nutze immer mindestens zwei Methoden. Die Deutsche Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) empfiehlt das seit 2024 als Standard. Ein einzelnes Verfahren kann irren - zwei ergänzen sich.
Wie viel kostet eine professionelle Bestandsaufnahme?
Einige Hausbesitzer versuchen, es selbst zu machen - mit einem billigen Leitungsorter von der Baustelle. Das klingt sparsam. Aber es ist riskant. Eine professionelle Bestandsaufnahme kostet zwischen 8 und 15 Euro pro Quadratmeter bei einfachen Gebäuden. Bei komplexen Altbauten mit verborgenen Leitungen, alten Sanierungen und denkmalgeschütztem Bestand steigt der Preis auf 25 bis 40 Euro pro m².
Das klingt viel? Vergleiche es mit den Kosten eines Fehlers: Laut dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2018) verursachen unentdeckte Leitungen durchschnittlich 37 % höhere Sanierungskosten. Ein einziger verlegter Abwasserkanal, den du nicht siehst, kann 10.000 bis 15.000 Euro an Schäden verursachen. Die Bestandsaufnahme ist also keine Ausgabe - sie ist eine Versicherung.
Und es gibt auch eine neue, günstigere Option: Drohnengestütztes Laserscanning. In einem Fall in Dresden wurde mit einer Drohne in zwei Stunden die gesamte Dachleitungsanlage erfasst - was manuell zwei Tage gedauert hätte. Die Kosten: 1.200 Euro statt 2.800 Euro. Für große Dachflächen oder schwer zugängliche Bereiche ist das eine echte Alternative.
Was sind die häufigsten Fehler bei der Bestandsaufnahme?
Die meisten Probleme entstehen nicht durch schlechte Technik, sondern durch schlechte Planung.
- Keine Vorbereitung: 42 % der Projekte scheitern, weil vorher nicht geprüft wurde, welche Unterlagen existieren. Suche nach alten Plänen im Archiv, bei der Stadt, beim Vorbesitzer - auch wenn du denkst, sie seien weg.
- Keine Kalibrierung: 28 % der Messfehler kommen von unkalibrierten Geräten. Ein GPR-Gerät muss vor jedem Einsatz justiert werden - je nach Mauerwerk, Feuchtigkeit, Temperatur.
- Ignorierte Umgebung: 21 % der Fehler entstehen, weil Feuchtigkeit, Metallteile oder Elektroleitungen die Messung stören. Ein GPR erkennt alles - aber nicht immer, was es ist.
Die größte Erfolgsregel: Arbeite mit einem Experten, der Erfahrung mit Altbauten hat. Wer nur Neubauten kennt, versteht die Unregelmäßigkeiten nicht. Ein erfahrener Spezialist reduziert Fehler um 65 %.
Wie sieht die Zukunft aus?
Die Technik entwickelt sich rasant. Bis 2027 soll es in Deutschland eine einheitliche Datenstandards für Leitungskartierung geben - mit dem Format IFC 4.3, das auch in BIM-Modellen verwendet wird. Das bedeutet: Die Daten aus deiner Bestandsaufnahme können direkt in deine Sanierungsplanung übernommen werden - ohne Umwege, ohne Verluste.
Neue Millimeterwellen-Scanner vom Fraunhofer-Institut können jetzt bis zu 80 cm tief in Mauerwerk sehen. Das ist ein Durchbruch: Endlich werden auch die tiefsten, ältesten Leitungen sichtbar - selbst in Fachwerkhäusern, wo bislang nur 75 % erkannt wurden.
Und KI hilft dabei, die Daten schneller auszuwerten. Eine Studie der TU München (März 2025) zeigt: Maschinelles Lernen identifiziert Leitungen in Punktwolken 35 % schneller und mit 22 % weniger Fehlern. Die Zukunft ist digital - und sie ist bereits hier.
Dennoch bleibt ein Problem: 60 % der kleinen Privathaushalte können sich die professionelle Kartierung noch nicht leisten. Das ist die große Herausforderung der nächsten Jahre. Aber wer spart, riskiert mehr - und am Ende zahlt man immer mehr.
Was solltest du jetzt tun?
Wenn du in einem Altbau sanierst - und das ist fast immer der Fall - dann: Hole dir eine professionelle Bestandsaufnahme. Nicht als Option. Als Pflicht.
Frage nach:
- Welche Methoden werden eingesetzt? (Laserscanning + GPR ist Standard)
- Wie genau ist die Messung? (±5 cm für Wasser, ±10 cm für Abwasser)
- Wird ein digitales Modell erstellt? (BIM oder Punktwolke)
- Wird ein Schadenskataster erstellt? (Liste aller gefundenen Mängel)
Und: Lass dir die Ergebnisse in einem klaren Bericht aushändigen - nicht nur als Datei, sondern mit Erklärungen. Denn am Ende zählt nicht, wie gut die Technik ist - sondern ob du sie verstehst.
Warum sind alte Leitungspläne oft unzuverlässig?
In vielen Altbauten wurden Leitungen ohne Dokumentation verlegt - besonders vor 1950. Spätere Sanierungen wurden oft ohne neue Pläne durchgeführt. Viele Unterlagen sind verloren, beschädigt oder wurden nie angefertigt. Laut einer Umfrage des BDB sind 87 % der vorhandenen Pläne unvollständig oder falsch.
Kann ich die Leitungen selbst orten?
Mit billigen Leitungsortern von der Baustelle kannst du nur grob erkennen, ob Metall in der Wand ist. Du bekommst keine Tiefe, keinen Durchmesser, kein Material und keine Genauigkeit. Für eine Sanierung reicht das nicht. Fehlende Informationen führen oft zu teuren Fehlern - und das Risiko ist höher als die Einsparung.
Was kostet eine schlechte Bestandsaufnahme?
Ein unentdeckter Abwasserkanal oder eine beschädigte Wasserleitung kann zusätzliche Kosten von 8.200 Euro pro Projekt verursachen - laut Prof. Markus Falke (TU München). In 78 % der untersuchten Projekte führten fehlerhafte Pläne zu mindestens einer teuren Planungsänderung.
Ist eine Bestandsaufnahme auch für kleine Renovierungen nötig?
Ja - besonders wenn du bohrst, verlegst oder Wandöffnungen machst. Selbst wenn du nur eine neue Dusche einbaust, kann eine alte Leitung direkt dahinter liegen. Die Kosten der Kartierung sind gering im Vergleich zu den Risiken. Und viele Förderprogramme verlangen sie sogar.
Welche Methode ist am besten für ein Fachwerkhaus?
Fachwerkhäuser sind besonders schwierig, weil die Mischung aus Holz, Lehm und Stein die Messung stört. Selbst moderne Methoden erreichen hier nur 75 % Erkennungsrate. Die beste Kombination ist GPR mit Thermografie und Bohrwiderstandsmessung - aber selbst dann bleibt ein Restrisiko. Hier ist Erfahrung des Messers entscheidend.
Wird die Bestandsaufnahme von Fördermitteln übernommen?
Ja - viele Programme wie das Bundesförderprogramm für effiziente Gebäude (BEG) erstatten bis zu 20 % der Kosten für die Bestandsaufnahme, wenn sie als Teil einer energetischen Sanierung durchgeführt wird. Prüfe immer die aktuellen Förderkonditionen deines Bundeslandes.
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Personenkommentare
Ich hab letztes Jahr mein Haus aus 1923 sanieren lassen und die Leitungskartierung war der beste Euro, den ich ausgegeben hab. Kein Bohren im Blindflug mehr. Die Technik ist heute so präzise, dass man sogar die alten Bleirohre sieht, die keiner mehr kannte. Das spart nicht nur Geld, sondern auch Nerven.
Und nein, kein billiger Ortner von Obi reicht. Das ist wie mit dem Autobatterietester, der sagt, die ist gut – aber der Motor springt trotzdem nicht an.