Fotodokumentation bei Immobilienübergabe: So sichern Sie Beweise rechtssicher

Stellen Sie sich vor: Sie ziehen aus, und plötzlich wird Ihre Kaution nicht zurückgezahlt. Der Vermieter behauptet, die Wände seien beschädigt, der Boden verschmutzt, die Küche kaputt. Aber Sie wissen: Alles war in Ordnung. Was tun? Die Antwort liegt in einem einfachen, aber oft vernachlässigten Schritt: der fotodokumentation bei der Immobilienübergabe. Ohne sie sind Sie auf Worten angewiesen. Mit ihr haben Sie Beweise - und die entscheiden vor Gericht.

Warum Fotografien mehr wert sind als ein schriftliches Protokoll

Ein schriftliches Übergabeprotokoll klingt erst mal sicher. Aber was bedeutet „leichte Abnutzung“? Wer entscheidet, was „normal“ ist? Ein Foto sagt alles. Es zeigt die genaue Stelle, die Farbe des Bodens, die Tiefe des Kratzers, die Feuchtigkeit an der Wand. Keine Interpretation. Kein „ich meine, ich hätte…“. Nur Fakten.

Laut einer Studie der LMU München reduziert eine vollständige Fotodokumentation Streitigkeiten um 67%. Das liegt nicht an Zauberei, sondern an der Beweiskraft. Ein Gericht glaubt einem Bild mehr als einem Text. Und wenn es mit Zeitstempel, Ort und Unterschrift versehen ist, ist es rechtlich bindend.

Im Jahr 2023 waren 80% aller Kautionsstreitigkeiten in Deutschland auf fehlende oder unzureichende Dokumentation zurückzuführen. Die durchschnittlichen Schadensersatzforderungen lagen bei 1.200 Euro - oft für Schäden, die gar nicht existierten. Fotodokumentation verhindert das.

Was muss ein rechtssicheres Foto genau zeigen?

Es reicht nicht, ein Handyfoto von der Küche zu machen. Ein rechtssicheres Bild hat Regeln - und die sind klar definiert.

- Jeder Raum muss vollständig erfasst werden: Wände, Decke, Boden, Fenster, Türen, Heizkörper, Steckdosen. Nicht nur die „schönen“ Ecken.
- Mindestens 12 Aufnahmen pro Raum, systematisch im Uhrzeigersinn. Keine Sprünge. Keine „Ich hab’s mal schnell gemacht“.
- Die Auflösung muss mindestens 300 dpi betragen. Ein verschwommenes Handybild ist kein Beweis.
- Jedes Foto muss einen Zeitstempel enthalten - nicht nur den, den Ihr Handy automatisch setzt. Der muss unveränderbar sein.
- Jeder Schaden muss mit einem Maßstab abgebildet werden: ein Briefumschlag, ein 1-Euro-Stück, ein Lineal. Sonst weiß niemand, wie groß er wirklich ist.
- Die Beleuchtung muss mindestens 200 Lux betragen. Dunkle Ecken verschleiern Schäden - und das ist kein Zufall, sondern oft Absicht.
- Farbvergleichsplatten müssen im Bild sein. So wird sichergestellt, dass die Farben nicht durch Licht oder Kamera verzerrt werden.
Das ist keine Empfehlung. Das ist die neue DIN-Norm 18205-2, die seit dem 1. März 2024 gilt. Wer sie ignoriert, hat kein rechtssicheres Protokoll - egal wie viele Fotos er gemacht hat.

Die größte Falle: Datenschutz und Einwilligung

Hier irren die meisten. Viele denken: „Ich bin der Vermieter, ich darf doch alles fotografieren.“ Falsch. Innenräume sind kein öffentlicher Raum. Jedes Foto von Wänden, Möbeln, Regalen, Kleidung im Bad - das sind personenbezogene Daten. Und das ist unter der DSGVO streng geregelt.

Das Landgericht Frankenthal hat 2023 klargestellt: Es gibt keinen Anspruch auf Duldung von Fotos. Sie brauchen die ausdrückliche, schriftliche Einwilligung der Mieter. Und zwar vor der Aufnahme. Mündliche Zustimmung im Flur? Nicht ausreichend. Ein „ja, klar“ am Übergabetag? Nicht rechtssicher.

Noch schlimmer: Wer Fotos mit ungelöschten Metadaten speichert - also mit GPS-Ort, Kameramodell, Uhrzeit - macht sich strafbar. Laut BfDI-Prüfungen 2023 waren 42% der verwendeten Fotos nicht datenschutzkonform. Das kann teuer werden: Bußgelder bis zu 20 Millionen Euro oder 4% des Umsatzes - auch für Privatpersonen.

Lösung? Nutzen Sie Apps wie „WohnungsCheck“ oder „MietProtokoll“. Die löschen Metadaten automatisch, fügen Zeitstempel hinzu und erstellen ein PDF mit Unterschrift. Und sie speichern alles verschlüsselt - wie es das Gesetz verlangt.

Nahaufnahme eines Handy-Bildes einer Wasserschadenstelle in der Küche mit 1-Euro-Münze als Maßstab und Farbkalibrierungskarte.

Wie Sie die Fotodokumentation richtig durchführen

Sie brauchen keinen Profi. Aber Sie brauchen einen Plan.

  1. Einwilligung einholen: Senden Sie den Mieter vor der Übergabe eine schriftliche Einwilligungserklärung. Formulieren Sie klar: „Ich dokumentiere den Zustand der Wohnung zur Absicherung beider Parteien.“ Fügen Sie einen Widerrufshinweis hinzu. Das ist Pflicht.
  2. Raumplan erstellen: Zeichnen Sie eine Skizze der Wohnung. Markieren Sie, wo Sie fotografieren werden. Nummerieren Sie die Räume. So vermeiden Sie Lücken.
  3. Zeit wählen: Fotografieren Sie am Tag der Übergabe, bei Tageslicht. Keine Abendschichten. Keine künstliche Beleuchtung, die Schäden verdeckt.
  4. Systematisch fotografieren: Beginnen Sie mit der Eingangstür. Dann im Uhrzeigersinn durch jeden Raum. Füllen Sie alle 12 Positionen. Keine Ausnahmen.
  5. Details festhalten: Jeder Kratzer, jeder Fleck, jede Feuchtigkeitsstelle. Nehmen Sie zwei Fotos davon: ein Weitwinkel, ein Nahbild mit Maßstab.
  6. Verbal kommentieren: Sprechen Sie laut, während Sie fotografieren: „Küche, linke Wand, 5 cm langer Kratzer, 20 cm über Boden.“ Das erhöht die Beweiskraft. Ein Gericht hört das Audio, wenn es nötig ist.
  7. Beide unterschreiben: Erstellen Sie ein PDF mit allen Fotos, Datum, Ort, Unterschriften. Die Unterschrift kann digital sein - solange sie eIDAS-konform ist. Das hat der BGH 2022 bestätigt.
  8. Speichern und teilen: Speichern Sie die Dateien mindestens 30 Jahre. Das ist die Verjährungsfrist für Mängelansprüche. Geben Sie dem Mieter eine Kopie - per E-Mail oder USB-Stick. Und schreiben Sie: „Hiermit bestätige ich den Erhalt der Dokumentation.“

Was passiert, wenn Sie es falsch machen?

Vermieter glauben oft: „Ich hab’s ja versucht.“ Aber das reicht nicht.

Wenn Sie keine Einwilligung haben, ist die gesamte Fotodokumentation rechtlich wertlos. Selbst wenn Sie 100 perfekte Fotos haben. Das hat das Amtsgericht Steinfurt 2014 klargestellt.

Wenn Sie keine Zeitstempel haben, kann Ihr Foto als manipuliert gelten. Wenn Sie Metadaten nicht löschen, droht ein Bußgeld. Wenn Sie die Fotos nicht innerhalb von 14 Tagen an den Mieter senden, kann er sie als „nicht rechtzeitig übermittelt“ anfechten - und das OLG Frankfurt hat das 2023 bestätigt.

Und dann gibt es noch die größte Falle: unbewohnte Räume. 63% der Fälle, in denen Schäden fälschlich dem letzten Mieter angelastet wurden, lagen an fehlender Dokumentation vor der Leerstandphase. Wer nicht weiß, wie die Wohnung vor dem Mieter aussah, hat keine Grundlage für eine Anspruchsbegründung.

3D-Scan einer Wohnung mit rechtlichen Anforderungen als digitale Symbole: Datensicherheit, Zeitstempel, Einwilligung und 30-jährige Aufbewahrung.

Wer nutzt das schon - und warum?

Laut IVD-Marktbericht 2024 nutzen 78% der professionellen Vermieter digitale Fotodokumentation. Aber nur 56% der Privatvermieter. Warum? Weil sie denken, es sei zu kompliziert. Oder zu teuer.

Ein Profi kostet zwischen 50 und 200 Euro - je nach Größe. Aber was kostet ein falscher Schadensersatzanspruch? 1.200 Euro? 2.000? Und die 28 Tage, die Sie mit dem Mieter streiten, statt sich zu freuen, dass die Kaution zurückkommt?

Einige Vermieter haben gelernt: „Ich lasse jetzt immer fotografieren. Früher hatte ich jedes Jahr zwei Streitigkeiten. Jetzt habe ich seit drei Jahren keine mehr.“

Ein Mieter berichtete auf immobilien-forum.de: „Ich habe alles fotografiert - sogar die kleinen Kratzer an der Tür. Als der Vermieter die Kaution verweigerte, habe ich ihm die Fotos geschickt. Innerhalb von 48 Stunden war das Geld auf meinem Konto.“

Was kommt als Nächstes?

Die Technik entwickelt sich. 3D-Scans, die die gesamte Wohnung in einem einzigen Durchlauf erfassen, sind schon heute verfügbar. Bis 2027 sollen 65% der professionellen Übergaben damit arbeiten. Aber auch diese Technik braucht Einwilligung, Zeitstempel und Datensicherheit. Die Regeln bleiben die gleichen.

Der Gesetzgeber arbeitet an einem neuen Gesetz, das digitale Protokolle mit qualifizierter elektronischer Signatur als vollwertig anerkennt. Das ist ein großer Schritt. Aber er ändert nichts an der Grundregel: Ohne Einwilligung - kein Bild. Ohne Bild - kein Beweis.

Frequently Asked Questions

Muss ich als Mieter der Fotodokumentation zustimmen?

Ja. Der Vermieter hat kein Recht, Fotos von Ihren Wohnräumen zu machen, ohne Ihre ausdrückliche, schriftliche Einwilligung. Das hat das Amtsgericht Steinfurt 2014 und das Landgericht Frankenthal 2023 bestätigt. Eine mündliche Zustimmung reicht nicht. Sie dürfen die Einwilligung auch verweigern - aber dann kann der Vermieter kein rechtssicheres Protokoll erstellen, und Sie riskieren Streitigkeiten bei der Kaution.

Darf ich als Vermieter Fotos von der Wohnung machen, wenn sie leer ist?

Ja - aber nur, wenn Sie vor der Übergabe des letzten Mieters eine lückenlose Fotodokumentation erstellt haben. Wenn Sie die Wohnung leer übergeben und erst danach Fotos machen, können Sie nicht beweisen, was vorher da war. 63% der Fälle, in denen Mieter fälschlich für Schäden verantwortlich gemacht wurden, lagen genau an diesem Fehler. Machen Sie die Dokumentation vor der Übergabe - und bewahren Sie sie mindestens 30 Jahre auf.

Was passiert, wenn ich die Fotos nicht innerhalb von 14 Tagen sende?

Das OLG Frankfurt hat 2023 entschieden: 14 Tage sind die maximale Frist. Danach kann der Mieter die Dokumentation als „nicht rechtzeitig übermittelt“ anfechten. Das bedeutet: Selbst perfekte Fotos sind dann rechtlich wertlos. Senden Sie die Dateien am Tag der Übergabe - oder spätestens am nächsten Werktag. Und fordern Sie schriftlich die Bestätigung des Empfangs.

Kann ich die Fotos mit meinem Handy machen?

Ja - aber nur, wenn die Auflösung mindestens 300 dpi beträgt, Zeitstempel enthalten sind und Metadaten gelöscht wurden. Die meisten Handys liefern Bilder mit 1.200 dpi oder mehr - das reicht. Aber die Metadaten müssen entfernt werden. Nutzen Sie dafür eine App wie „WohnungsCheck“ oder „MietProtokoll“. Sie löschen automatisch GPS, Kameramodell und Uhrzeit. Sonst riskieren Sie einen Datenschutzverstoß.

Muss ich die Fotos speichern? Und wie lange?

Ja. Die gesetzliche Verjährungsfrist für Mängelansprüche beträgt 30 Jahre (§ 195 BGB). Sie müssen die Fotos mindestens so lange aufbewahren. Speichern Sie sie verschlüsselt auf einer externen Festplatte oder in einer sicheren Cloud. Löschen Sie sie nicht nach der Kautionrückzahlung. Ein Gericht kann die Fotos auch nach 15 Jahren noch anfordern - und dann müssen sie da sein.