Kostenfallen bei Vorfälligkeitsentschädigungen bei Immobilienkrediten vermeiden

Wenn du deine Immobilie verkaufst oder deinen Kredit vorzeitig ablösen willst, kann dir die Vorfälligkeitsentschädigung eine böse Überraschung bringen. Viele Hausbesitzer denken, sie zahlen nur die Restschuld - doch plötzlich steht eine Summe von mehreren tausend Euro auf der Rechnung. Das ist keine Ausnahme, sondern Standard. In Deutschland dürfen Banken eine Vorfälligkeitsentschädigung (VFE) verlangen, wenn du deinen Immobilienkredit vor Ablauf der Zinsbindungsfrist zurückzahlst. Und diese Kosten können leicht 5.000, 10.000 oder sogar 20.000 Euro betragen - je nach Zinsentwicklung und Vertragslaufzeit.

Was genau ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Die Vorfälligkeitsentschädigung ist kein Strafzuschlag, sondern eine Entschädigung für die Bank. Wenn du deinen Kredit vorzeitig tilgst, verliert die Bank zukünftige Zinseinnahmen. Sie hatte das Geld für die gesamte Laufzeit zu einem festen Zins verliehen - etwa 2 % über 15 Jahre. Wenn du nach 5 Jahren abloßt, kann sie das Geld oft nur noch zu 4 % an andere Kreditnehmer verleihen. Wenn die Zinsen gesunken sind, kann sie es sogar nur noch zu 1 % anlegen. Der Unterschied ist der Zinsschaden - und den will sie ausgleichen.

Dieser Ausgleich ist gesetzlich geregelt: § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB erlaubt Banken, eine Entschädigung zu verlangen. Aber: Es gibt keine feste Formel. Die Bank darf zwei Methoden verwenden - und sie wählt oft die, die ihr am meisten bringt.

Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet?

Es gibt zwei gängige Berechnungswege:

  • Aktiv-Passiv-Vergleich: Die Bank nimmt an, sie legt dein zurückgezahltes Geld nicht neu an, sondern kauft Hypothekenpfandbriefe. Sie vergleicht den Zins, den du ihr gezahlt hast, mit dem aktuellen Pfandbriefzins. Die Differenz ist die VFE.
  • Aktiv-Aktiv-Vergleich: Die Bank geht davon aus, dass sie das Geld an einen neuen Kreditnehmer vergibt - aber zu niedrigeren Zinsen als früher. Auch hier berechnet sie den Verlust.

Die meisten Banken nutzen den Aktiv-Passiv-Vergleich - und das ist oft schlecht für dich. Warum? Weil sie dabei oft nicht alle Kosten für die Ersatzanlage abziehen, die sie tatsächlich hat. Der Bundesgerichtshof hat am 14. März 2023 klargestellt: Banken müssen diese Kosten berücksichtigen. Das bedeutet: In vielen Fällen ist die VFE niedriger, als die Bank initially sagt.

Ein Beispiel: Du hast einen Kredit von 150.000 Euro mit 3 % Zinsen und 10 Jahren Restlaufzeit. Die aktuellen Pfandbriefzinsen liegen bei 1,8 %. Ohne Abzüge könnte die VFE bei 12.000 Euro liegen. Mit korrekter Berechnung - inklusive Ersatzkosten - sinkt sie auf 7.500 Euro. Das sind 4.500 Euro Unterschied. Die Bank sagt dir das nicht automatisch. Du musst nachfragen.

Warum ist die VFE bei Immobilienkrediten so viel höher als bei anderen Krediten?

Bei Verbraucherdarlehen - also Krediten für Autos oder Möbel - gibt es klare Grenzen: Maximal 1 % der Restschuld, wenn noch mehr als 12 Monate Laufzeit übrig sind. Bei Immobilienkrediten gilt das nicht. Hier ist alles erlaubt, was der Zinsschaden hergibt. Und das kann viel sein.

Stell dir vor: Du hast 2020 einen Kredit mit 1,2 % Zinsen abgeschlossen. Heute liegen die Zinsen bei 4,5 %. Wenn du jetzt abloßt, hat die Bank einen Vorteil - sie kann das Geld teurer verleihen. Dann ist die VFE fast null. Aber wenn du 2025 abloßt und die Zinsen sind wieder auf 1,5 % gefallen, dann ist die VFE hoch - weil die Bank jetzt weniger verdient als früher.

Das ist das große Risiko: Du weißt nicht, wie die Zinsen in 5 oder 10 Jahren stehen. Und du kannst nicht vorhersehen, ob du den Kredit vorzeitig ablösen musst - etwa weil du umziehst, heiratest oder dein Job sich ändert.

Waage mit Zinssparvorteilen und Vorfälligkeitsentschädigung als Anker, Bank als silhouettierte Figur.

Die größten Kostenfallen - und wie du sie vermeidest

Die meisten Menschen unterschätzen die VFE, weil sie sie bei Vertragsabschluss nicht richtig verstehen. Hier sind die fünf häufigsten Fallen - und wie du sie umgehst.

Falle 1: Lange Zinsbindungsfristen von 15 bis 25 Jahren

Banken werben mit langen Zinsbindungen - „sicher“ und „günstig“. Aber sie verstecken: Je länger die Bindung, desto höher die VFE, wenn du vorzeitig abloßt. Seit 2023 setzen viele Banken wie die Commerzbank verstärkt auf 20- oder sogar 25-jährige Zinsbindungen. Das ist riskant. Wenn du nach 8 Jahren verkaufst, hast du noch 12 Jahre Laufzeit übrig - und die VFE kann dich um 15.000 Euro oder mehr bringen.

Lösung: Wähle maximal 10 Jahre Zinsbindung. Laut § 490 BGB hast du nach 10 Jahren ein Sonderkündigungsrecht - ohne VFE. Du kannst den Kredit kündigen, ohne eine Entschädigung zu zahlen. Das ist dein größter Hebel.

Falle 2: Keine Sondertilgungsrechte oder zu niedrige Grenzen

Ein Kredit mit 5 % Sondertilgung pro Jahr ist besser als einer mit 2 %. Mit 5 % kannst du pro Jahr 5.000 Euro von 100.000 Euro Kredit tilgen - ohne VFE. Das reduziert deine Restschuld und damit auch die spätere VFE. Viele Verbraucher nutzen das nicht - sie zahlen nur die Monatsrate.

Lösung: Verhandle bei Vertragsabschluss auf mindestens 5 % Sondertilgung pro Jahr. Einige Banken wie die Allianz bieten sogar 10 % an - gegen einen Zinsaufschlag von 0,2 %, der sich oft innerhalb von 2 Jahren amortisiert.

Falle 3: Du verkaufst deine Immobilie - und zahlst die VFE trotzdem

Das ist der größte Fehler: Du verkaufst dein Haus, holst dir einen neuen Kredit - und zahlst 8.000 Euro VFE. Dabei gibt es eine einfache Lösung: Pfandtausch.

Beim Pfandtausch übernimmt der Käufer deinen bestehenden Kredit. Du löst ihn nicht ab - du überträgst ihn. Die Bank prüft den Käufer auf Bonität, und wenn er passt, wird der Kredit einfach auf ihn umgeschrieben. Keine VFE. Kein neuer Kredit. Keine neue Notar- und Grundbucheintragungskosten.

Ein Nutzer auf ImmobilienScout24 berichtete: „Beim Verkauf meines Hauses im Februar 2023 habe ich 7.200 Euro VFE gespart - einfach durch Pfandtausch.“ Die Volksbanken schätzen, dass in 78 % der Fälle ein Pfandtausch möglich ist - wenn der Käufer die Bonitätsprüfung besteht. Das ist kein Ausnahmefall. Das ist Standard.

Lösung: Sag deinem Makler: „Wir machen einen Pfandtausch.“ Wenn er nicht weiß, was das ist, hol dir einen anderen. Oder frag deine Bank direkt: „Ist ein Schuldübertrag möglich?“

Falle 4: Du glaubst, die Bank berechnet fair

Banken haben keinen Anreiz, dir die niedrigste VFE zu nennen. Sie rechnen nach ihrer Methode - und oft nicht transparent. In einer Umfrage von Finanztest (2023) fanden 68 % der Befragten die VFE unerwartet hoch - weil sie die Berechnung nicht nachvollziehen konnten.

Lösung: Fordere immer die detaillierte Berechnung schriftlich an. Frag nach: „Welche Methode haben Sie verwendet? Welche Pfandbriefzinsen haben Sie zugrunde gelegt? Welche Ersatzkosten haben Sie abgezogen?“ Wenn sie nicht antworten - such dir eine andere Bank. Du hast das Recht, die Rechnung zu prüfen.

Falle 5: Du ignorierst die Zinsentwicklung

Seit 2022 sind die Bauzinsen von 1,5 % auf 4,2 % gestiegen. Das bedeutet: Wer jetzt abloßt, zahlt oft nur 1-2 % VFE - oder gar nichts. Aber wenn die Zinsen wieder fallen - wie 2019 oder 2020 -, dann steigt die VFE wieder an.

Lösung: Bevor du abloßt, prüfe den aktuellen Pfandbriefzins. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat einen kostenlosen Online-Rechner veröffentlicht - seit September 2023 haben ihn über 47.000 Menschen genutzt. Nutze ihn. Du musst nicht raten.

Was kannst du jetzt tun?

Wenn du einen Immobilienkredit hast - oder einen neuen abschließen willst -, dann handle jetzt:

  1. Prüfe deine aktuelle VFE: Nutze den Rechner der Verbraucherzentrale. Gib deine Kreditsumme, Zinsen, Restlaufzeit und den aktuellen Pfandbriefzins ein. Du bekommst eine realistische Schätzung.
  2. Prüfe deine Vertragsbedingungen: Wie lange ist die Zinsbindung? Wie hoch ist die Sondertilgung? Gibt es eine Klausel zum Pfandtausch?
  3. Wenn du verkaufst: Fordere den Pfandtausch an. Das ist die einfachste und billigste Lösung.
  4. Wenn du neu finanzierst: Nimm maximal 10 Jahre Zinsbindung. Und verhandle auf mindestens 5 % Sondertilgung.

Die Vorfälligkeitsentschädigung ist kein Naturgesetz. Sie ist ein Vertragspunkt - und du kannst sie beeinflussen. Die Banken haben lange Zeit die Komplexität genutzt, um Verbraucher zu benachteiligen. Aber das ändert sich. Durch Gerichtsurteile, mehr Transparenz und bessere Tools bekommst du jetzt mehr Kontrolle. Nutze sie.

Immobilienmakler erklärt Pfandtausch an Käufer und Verkäufer, grünes Haken-Symbol über ihnen.

Was passiert, wenn du die VFE nicht zahlst?

Du kannst die VFE nicht einfach ignorieren. Die Bank kann die Ablösung verweigern - und damit den Verkauf blockieren. Sie kann auch die Restschuld mit Zinsen und Mahngebühren weiterlaufen lassen. Das ist riskant. Besser: Du klärst die VFE im Voraus - und vermeidest sie, wenn möglich.

Wann ist eine vorzeitige Ablösung sinnvoll?

Wenn die neuen Zinsen mindestens 1,5 Prozentpunkte unter deinen alten liegen, lohnt sich oft eine Ablösung - selbst mit VFE. Beispiel: Du hast 4 % Zinsen, neue Kredite kosten 2,2 %. Deine VFE beträgt 3.000 Euro. Du sparst 1.800 Euro Zinsen pro Jahr. In weniger als 2 Jahren hast du die VFE wieder hereingeholt. Danach bist du im Plus.

Das gilt besonders, wenn du noch viele Jahre Laufzeit hast. Die VFE ist eine Einmalzahlung - die Zinsersparnis läuft über Jahre.

Kann ich die Vorfälligkeitsentschädigung verhandeln?

Ja, du kannst verhandeln - besonders wenn du einen guten Kunden hast oder die Bank eine neue Kundenakquise plant. Manche Banken verzichten auf die VFE, wenn du einen neuen Kredit bei ihnen abschließt. Frag direkt: „Würden Sie die VFE erlassen, wenn ich meinen neuen Kredit hier beauftrage?“

Gibt es eine Obergrenze für die Vorfälligkeitsentschädigung?

Nein, für Immobilienkredite gibt es keine gesetzliche Obergrenze. Das ist der Unterschied zu anderen Krediten. Die Höhe richtet sich nach dem tatsächlichen Zinsschaden der Bank - aber sie muss diesen nachweisen. Wenn sie das nicht tut, kannst du die VFE anfechten.

Was ist ein Pfandtausch genau?

Beim Pfandtausch übernimmt der Käufer deinen bestehenden Immobilienkredit. Du zahlst nicht ab - du überträgst die Schuld. Die Bank prüft den neuen Kreditnehmer auf Bonität. Wenn er passt, wird der Kredit auf ihn umgeschrieben. So vermeidest du die Vorfälligkeitsentschädigung komplett. Es ist legal, gängig und kostet dich nichts.

Warum ist die VFE bei langen Zinsbindungen so hoch?

Je länger die Zinsbindung, desto länger hat die Bank mit deinem Zins verdient. Wenn du nach 8 Jahren abloßt, hat sie noch 12 Jahre verloren. Bei hohen Zinsdifferenzen (z. B. 3 % alte Zinsen vs. 1,5 % neue) kann das leicht 15.000-20.000 Euro ausmachen. Deshalb ist eine 10-jährige Bindung oft sicherer als eine 20-jährige.

Wie kann ich prüfen, ob die Bank die VFE richtig berechnet hat?

Fordere die Berechnungsunterlagen an - inklusive verwendeter Pfandbriefzinsen und Ersatzkosten. Vergleiche mit dem kostenlosen Rechner der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wenn deine Bank nicht transparent ist, suche dir einen anderen Kreditgeber. Du hast das Recht, die Rechnung zu verstehen.

Personenkommentare

  • Carola van Berckel
    Carola van Berckel Oktober 28, 2025 AT 08:20

    Ich hab das letzte Jahr meinen Kredit vorzeitig abgelöst und war total geschockt von der VFE - über 12.000 Euro! Hatte keine Ahnung, dass das so hoch sein kann. 😅

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