Risiken bei der Altbausanierung: Schadstoffe, Überraschungen und Kosten im Detail

Wenn du ein Haus aus den 1950er, 60er oder 70er Jahren sanierst, dann bist du nicht nur dabei, alte Wände zu streichen oder den Boden zu erneuern. Du öffnest eine Zeitkapsel - und darin stecken giftige Überraschungen, die dein Budget sprengen und deine Gesundheit gefährden können. Viele Eigentümer glauben, ein Altbau sei nur mühsam, aber nicht gefährlich. Das ist ein fataler Irrtum. In Deutschland gibt es über 12 Millionen Wohnungen, die vor 1979 gebaut wurden. Und in fast jeder davon steckt etwas, das nicht mehr erlaubt ist - und das du nicht einfach ignorieren kannst.

Asbest: Der unsichtbare Killer in den Wänden

Asbest war bis 1993 fast überall im Hausbau dabei. Du findest es in Dachplatten, unter Fliesenklebern, in Brandschutzplatten, in Rohrisolierungen und sogar in alten Heizungsrohren. Es sieht aus wie Beton, Gips oder Putz. Du erkennst es nicht. Und es ist tödlich - aber erst nach 20 bis 40 Jahren. Dann zeigen sich Lungenkrebs, Asbestose oder Mesotheliom. Die Gefahr entsteht, wenn das Material beschädigt wird: beim Bohren, Sägen oder Abriss. Dann werden Fasern in die Luft gespült - und du atmest sie ein, ohne es zu merken.

Ein Haus aus den 1970ern hat in 92 % der Fälle Asbest enthalten. Und wenn du in einem Fertighaus aus den 60er Jahren lebst, ist die Wahrscheinlichkeit noch höher. Die Kosten für die fachgerechte Entsorgung sind schockierend: Ab 100 kg Asbest kostet die Beseitigung 1.200 bis 2.500 Euro pro Kubikmeter. Das ist 27-mal teurer als normaler Bauschutt. Und das ist nur der Anfang. Denn oft entdeckst du Asbest erst, wenn du schon mit dem Abriss begonnen hast. Dann wird die Sanierung zum Stillstand gezwungen - und die Kosten explodieren.

PCB: Die versteckte Giftwolke in den Fugen

Polychlorierte Biphenyle, kurz PCB, wurden von 1950 bis Ende der 1970er Jahre in Dichtmassen, Fugen und Dichtungen verwendet. Du findest sie besonders in Bädern, Fensteranschlüssen und um Rohrleitungen herum. Sie sind weich, klebrig und sehen aus wie alte Kittmasse. Kein Handwerker merkt es - bis er sie beim Abriss freilegt. Dann verdampfen sie. Und schon ist die ganze Wohnung kontaminiert.

PCB ist krebserregend. Schon 0,005 Milligramm pro Kubikmeter Luft reichen aus, um langfristig Schaden anzurichten. Und das Problem? Sie verbreiten sich. Wenn du eine Wand mit PCB-Fugen abbrichst, können sie sich auf Bodenbeläge, Möbel oder sogar auf neue Dämmstoffe übertragen. Das nennt man Sekundärkontamination. 68 % aller Sanierungen vor 2020 hatten genau das Problem: Unbelastete Materialien wurden verseucht - und mussten trotz „sauberem“ Eindruck entsorgt werden. Ein Tischler aus München berichtete, dass ihm PCB-belastete Holzbalken die Entsorgungskosten auf 42.000 Euro trieben - drei Mal so viel wie geplant.

PCP und Lindan: Das Holz, das krank macht

Die Tragkonstruktionen in Häusern aus den 1950er und 60er Jahren sind oft mit Holzschutzmitteln wie Pentachlorphenol (PCP) oder Lindan behandelt. PCP wurde verwendet, um Holzbalken vor Pilz und Insekten zu schützen. Es ist giftig - und wirkt schon bei 0,001 ppm in der Luft. Es kann Nieren- und Leberschäden verursachen. Lindan, ein Insektizid, ist neurotoxisch. Es beeinträchtigt das Nervensystem. Beide Stoffe sind seit den 1980er Jahren verboten, aber sie sind noch da. In 70 % der Fertighäuser aus dieser Zeit wurden sie in den Holzkonstruktionen verbaut.

Und sie sind nicht einfach zu entfernen. Du kannst sie nicht einfach abkratzen. Sie sind tief in das Holz eingedrungen. Bei Sanierungen wird oft nur die Oberfläche bearbeitet - aber die Giftstoffe bleiben. Die Luft im Haus bleibt belastet. Und wer das nicht weiß, baut weiter - und setzt sich und seine Familie weiterhin dem Risiko aus.

Unsichtbare giftige Dämpfe steigen aus alten Dichtmassen auf und kontaminieren neue Baumaterialien in einer renovierten Wand.

Formaldehyd und PAK: Die unsichtbaren Dämpfe

Spanplatten, die in den 1960er und 70er Jahren für Küchen, Regale oder Türen verwendet wurden, enthalten Formaldehyd. Es ist ein farb- und geruchloses Gas, das bei Temperaturen über 25 °C freigesetzt wird. In 78 % der Fertighäuser aus den 60er Jahren wurde es über den Grenzwert von 0,1 ppm gemessen. Es reizt Augen, Nase und Atemwege - und kann langfristig Krebs verursachen.

Noch gefährlicher sind polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die in Teerprodukten stecken. Du findest sie in alten Dachbahnen, Fußbodenbelägen oder als Beschichtung unter Estrich. PAK erhöhen das Lungenkrebsrisiko um 300 % bei längerer Exposition. Und trotzdem: In 73 % der Sanierungen wird nicht einmal auf PAK getestet. Experten wie Dr. Anja Richter vom Luftanalyse-Zentrum warnen: „Teerprodukte sind die gefährlichsten Dämpfe, die bei Renovierungen freigesetzt werden.“

Die größte Falle: Unvorhergesehene Kosten

Die meisten Sanierungen laufen nicht wie geplant. 200.000 Mal pro Jahr entdecken Handwerker unerwartete Schadstoffe - und das kostet Zeit und Geld. Durchschnittlich werden Projekte 35 % teurer und 45 Tage länger. Das liegt nicht an schlechtem Planen, sondern an der Natur der Altbausanierung. Du kannst nicht sehen, was hinter der Wand steckt. Und wenn du es findest, hast du keine Wahl: Du musst es fachgerecht entfernen. Sonst riskierst du Bußgelder bis zu 50.000 Euro - und strafrechtliche Konsequenzen.

Ein Einfamilienhaus aus den 1960ern kostet heute durchschnittlich 142.000 Euro, wenn du Schadstoffe und Energieeffizienz zusammenrechnest. Das ist mehr als das Doppelte der ursprünglichen Budgets. Und das ist kein Einzelfall. Der Bund Deutscher Baumeister warnt: 30 % der Sanierungsprojekte mit Schadstoffen überschreiten die Kosten um mehr als 100.000 Euro. Die größte Kostenfalle? Asbest über 100 kg. Die zweitgrößte? PCB in den Fugen - besonders, wenn sie beim Abriss nicht erkannt werden.

Was du tun kannst: Drei Schritte vor dem Start

Du kannst nicht alles verhindern - aber du kannst dich vorbereiten. Die meisten Probleme entstehen, weil Leute einfach loslegen. Dabei gibt es drei einfache Schritte, die dir Tausende Euro und Monate Ärger ersparen.

  1. Baujahr prüfen. Wenn dein Haus vor 1990 gebaut wurde, gehe davon aus, dass Schadstoffe vorhanden sind. Vor 1979 ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch.
  2. Voruntersuchung machen. Eine professionelle Schadstoffanalyse kostet zwischen 250 und 800 Euro. Sie deckt Asbest, PCB, PCP und PAK auf. 74 % der unerwarteten Stillstände lassen sich so vermeiden. Und 89 % der Hausbesitzer, die das gemacht haben, sagen: „Das war die beste Investition.“
  3. Kein Abriss ohne Schutz. Wenn du Schadstoffe findest, brauchst du eine zertifizierte Fachfirma. Ab 1 kg Asbest ist das gesetzlich vorgeschrieben. Und selbst wenn du denkst, du hast nur ein bisschen Staub - bei PCB oder PAK reicht schon eine winzige Menge, um die Luft zu kontaminieren. Schutzkleidung, Absaugung, Versiegelung - das gehört dazu. Und wenn du es nicht richtig machst, riskierst du nicht nur deine Gesundheit, sondern auch Strafen.
Spezialist in Schutzanzug misst die Luftqualität nach Asbestsanierung, digitales Messgerät zeigt gefährliche Werte an.

Warum du nicht warten solltest

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) verschärft ab 2025 die Anforderungen. Und ab 2026 wird es ein neues Chemikalienverbotsrecht geben: Alle Gebäude vor 1990 müssen vor jeder Sanierung auf 12 Schadstoffgruppen geprüft werden. Das heißt: Du kannst nicht mehr einfach „mal schauen, was da ist“. Du musst es nachweisen - oder du darfst nicht sanieren.

Und die Zeit drängt. Nur 12 % der Handwerksbetriebe haben geschultes Personal für Schadstoffe. Die Wartezeiten für eine Fachfirma liegen bei 8 bis 12 Wochen. Wenn du jetzt nicht anfängst, wirst du in zwei Jahren noch länger warten müssen. Und die Preise steigen - jährlich um 8,3 %. Die Bundesregierung plant sogar eine digitale Altlastenakte für alle Altbauten. Das bedeutet: Dein Haus wird in einer Datenbank erfasst. Und wenn du später verkaufst, wird jeder Käufer sehen, welche Schadstoffe drin sind - und wie viel es kostet, sie zu entfernen.

Was du nicht tun solltest

Kein DIY bei Schadstoffen. Kein „ich mach’s selbst“. Kein „das ist doch nur ein bisschen Staub“. Asbest, PCB, PCP - das sind keine normalen Baustoffe. Sie sind giftig, langfristig wirksam und schwer zu beseitigen. Wer sie selbst entfernt, setzt sich, seine Familie und die Handwerker einem hohen Risiko aus. Und er macht sich strafbar.

Und vermeide die Falle der „scheinbaren Sauberkeit“. Ein Raum kann nach dem Abriss sauber aussehen - aber PCB- oder PAK-Dämpfe sind unsichtbar. Ohne Luftmessung weißt du nicht, ob es noch belastet ist. Und wenn du neue Fenster oder Dämmung einbaust, ohne die Luft zu prüfen, bringst du das Gift mit hinein.

Was bleibt: Vorsicht statt Hoffnung

Ein Altbau zu sanieren ist kein Projekt für Optimisten. Es ist ein Projekt für Leute, die wissen, was sie tun. Wer glaubt, er könne mit einem Pinsel und einem neuen Boden alles lösen, der wird bitter enttäuscht. Wer aber bereit ist, vorher zu prüfen, zu investieren und sich auf die Realität einzulassen, der kann ein gesundes, energieeffizientes Zuhause schaffen - ohne Gift, ohne Überraschungen und ohne finanziellen Absturz.

Dein Haus hat eine Geschichte. Aber es sollte nicht deine Krankengeschichte werden.

Kann ich Schadstoffe selbst erkennen?

Nein. Asbest, PCB, PCP und PAK sehen wie normale Baustoffe aus - Beton, Kitt, Holz oder Putz. Du kannst sie nicht mit dem Auge erkennen. Selbst erfahrene Handwerker sehen sie nicht. Nur eine professionelle Laboranalyse von Materialproben gibt Sicherheit. Wer behauptet, er erkenne Asbest am Aussehen, irrt sich - und setzt dich in Gefahr.

Wie viel kostet eine Schadstoffanalyse?

Eine umfassende Voruntersuchung kostet zwischen 250 und 800 Euro, je nach Größe und Alter des Hauses. Das ist ein kleiner Betrag im Vergleich zu den Folgekosten. In 74 % der Fälle vermeidet sie teure Stillstände. Und sie ist die einzige Möglichkeit, realistisch zu planen. Einige Kommunen in Österreich und Deutschland fördern diese Tests mit Zuschüssen - lohnt sich immer zu prüfen.

Muss ich Schadstoffe melden, wenn ich sie finde?

Ja. Wenn du Asbest, PCB oder andere verbotene Stoffe findest, musst du sie fachgerecht entsorgen - und das muss dokumentiert werden. Die TRGS 521 schreibt vor, dass alle Schadstoffentsorgungen genau aufgezeichnet werden. Wer das nicht macht, riskiert Bußgelder bis zu 50.000 Euro. Und wenn du später verkaufst, musst du die Altlasten angeben - ohne Nachweis wird dein Haus schwer zu verkaufen sein.

Kann ich ein Haus mit Asbest verkaufen?

Ja - aber nur, wenn du die Schadstoffe offenlegst. In Deutschland ist es Pflicht, alle bekannten Altlasten im Kaufvertrag zu erwähnen. Wer das verschweigt, macht sich strafbar. Ein Haus mit Asbest ist nicht wertlos - aber es ist teurer zu sanieren. Käufer zahlen weniger, wenn sie wissen, was auf sie zukommt. Die Transparenz schützt dich - und macht den Verkauf legal.

Gibt es Förderungen für Schadstoffsanierungen?

Ja. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und viele Kommunen fördern Sanierungen mit Schadstoffbeseitigung, besonders wenn sie mit Energieeffizienzmaßnahmen kombiniert werden. Du kannst Zuschüsse von bis zu 30 % der Kosten erhalten - aber nur, wenn du die Arbeiten von zertifizierten Fachbetrieben ausführen lässt. Informiere dich früh - die Anträge brauchen Zeit.