Wie viel ist deine Immobilie wirklich wert? Und warum verkaufen manche Häuser in drei Wochen für 10 % mehr als der Gutachter vorgeschlagen hat, während andere monatelang im Angebot bleiben - obwohl sie genauso gut aussehen? Die Antwort liegt nicht im Zustand der Küche oder der Größe des Gartens. Sondern in der Preisstrategie.
Du hast deine Immobilie sorgfältig renoviert, den Garten aufgeräumt, die Fotos professionell knipsen lassen. Alles perfekt. Aber der erste Interessent sagt: „Zu teuer.“ Der zweite schweigt. Der dritte fragt nach einer Preissenkung. Was jetzt? Die meisten Verkäufer reagieren falsch: Sie senken den Preis - abrupt, ohne Plan, oft zu früh. Und verlieren dabei Geld. Viel Geld.
Der Ankerpreis: Dein erster Fehler kostet dich 35.000 Euro
Der Ankerpreis ist nicht der Preis, den du dir wünschst. Er ist der Preis, den du erst nennst. Und der entscheidet, wie Käufer deine Immobilie wahrnehmen - und wie viel sie am Ende zahlen.
Ein Fall aus Salzburg: Eine Wohnung mit einem Marktwert von 250.000 Euro wurde zuerst für 300.000 Euro angeboten. Nach 13 Monaten und zwei Preissenkungen wurde sie schließlich für 212.500 Euro verkauft. Das sind 37.500 Euro Verlust. Gleiches Objekt, anderer Ansatz: Startpreis 260.000 Euro. Ergebnis: 247.500 Euro - also 35.000 Euro mehr als bei der hohen Ankerpreis-Strategie.
Warum passiert das? Weil Käufer nicht den Marktwert bewerten. Sie bewerten den ersten Preis, den sie sehen. Ein zu hoher Ankerpreis macht dich zum „verzweifelten Verkäufer“. Ein zu niedriger macht dich zum „verzweifelten Verkäufer mit schlechtem Angebot“. Der Goldstandard? 103 bis 105 Prozent des ermittelten Marktwerts. Das ist der Punkt, an dem du genug Spielraum für Verhandlungen hast - aber nicht so viel, dass Käufer denken: „Die wollen doch nur bluffen.“
ImmobilienScout24 hat eine KI entwickelt, die anhand von 127 Parametern den optimalen Startpreis berechnet. Die Trefferquote: 92,4 Prozent. Das heißt: Wenn die KI dir sagt, dein Haus ist 320.000 Euro wert, dann liegt dein idealer Ankerpreis bei 329.600 bis 336.000 Euro. Nicht mehr. Nicht weniger.
Bieterverfahren: Wenn der Markt springt, springst du mit
Ein Bieterverfahren ist kein Wettbewerb - es ist eine Strategie. Du nimmst nicht einfach jeden Interessenten an und sagst: „Wer bietet mehr?“ Du baust es gezielt auf.
Wie es funktioniert: Du setzt den Ankerpreis leicht unter dem Marktwert - etwa 3 bis 7 Prozent darunter. Warum? Weil du damit ein Gefühl von „Schnäppchen“ erzeugst. Und das zieht Interessenten an wie Bienen an Honig. In München hat eine Eigentumswohnung mit 17 ernsthaften Interessenten bei einem Startpreis von 720.000 Euro letztlich 752.000 Euro erzielt - ein Aufschlag von 4,4 Prozent.
Doch das hat einen Haken: Es funktioniert nur, wenn du mindestens 15 seriöse Interessenten hast. Sonst läufst du Gefahr, unter dem Marktwert zu verkaufen. In Berlin war das 2022 bei 22 Prozent der Bieterverfahren der Fall. Und: 38 Prozent der Käufer vertrauen Bieterverfahren nicht mehr. Sie fühlen sich ausgenutzt. Deshalb ist Transparenz entscheidend.
Was du brauchst:
- Eine klare, schriftliche Bietervereinbarung
- Mindestens 14 Tage Vorlaufzeit
- Einen transparenten Mindestpreis (den du nicht verrätst, aber intern festlegst)
- Eine offene Kommunikation: „Wir haben 12 Angebote erhalten. Der höchste liegt bei 745.000 Euro.“
Wenn du das machst, wird das Bieterverfahren zu deinem stärksten Werkzeug. Wenn nicht, wird es zu deinem größten Risiko.
Timing: Die Zeit, die du verlierst, kostet dich Geld
Es gibt einen Mythos: „Je länger du wartest, desto mehr bekommst du.“ Das ist falsch. Der Markt bewegt sich. Und wenn du nicht mitziehst, verlierst du.
Die beste Timing-Strategie: Starte mit 105 Prozent des Marktwerts. Warte 4 bis 6 Wochen. Wenn kein Angebot kommt - und du hast mindestens drei Besichtigungen gehabt - senkst du den Preis um 2 bis 3 Prozent. Nicht mehr. Nicht weniger.
Warum nicht sofort runter? Weil Käufer Preissenkungen als Warnsignal interpretieren. Ein Nutzer auf Trustpilot schrieb: „Ich habe von 420.000 auf 380.000 Euro gesenkt. Danach hat sich kein einziger neuer Interessent gemeldet.“
Was du stattdessen tun solltest: Warte auf ein Signal. Ein Signal ist: Du hast Interessenten, aber keine Angebote. Dann ist es Zeit. Und du senkst nicht, weil du verzweifelt bist. Du senkst, weil du es geplant hast.
Ein weiterer Tipp: Verkaufe nie im Dezember oder Januar. Die Nachfrage sinkt. Verkaufe nicht im August - die Leute sind im Urlaub. Die besten Monate: März, April, September, Oktober. Das ist die Zeit, in der die meisten Käufer aktiv sind - und bereit, mehr zu zahlen.
Marktgerecht vs. Hochpreis vs. Niedrigpreis: Welche Strategie passt zu dir?
Nicht jede Strategie passt zu jeder Immobilie. Und nicht jeder Markt reagiert gleich.
Marktgerechter Preis (100 % des Marktwerts):
- Beste Wahl für: Einfamilienhäuser in Regionen mit sinkender Nachfrage (z. B. ländliche Gebiete)
- Vorteil: Schneller Verkauf - 68 Prozent der Verkäufer mit dieser Strategie verkaufen innerhalb von 90 Tagen
- Nachteil: Du erzielst nicht den maximalen Preis, aber du vermeidest Verluste
Hochpreis-Strategie (105-115 % des Marktwerts):
- Beste Wahl für: Eigentumswohnungen in Top-Lagen (München, Frankfurt, Hamburg)
- Vorteil: Kann zu 10-15 % höheren Verkaufserlösen führen - wenn die Nachfrage hoch ist
- Nachteil: In 78 Prozent der Fälle in ländlichen Regionen führt sie zu Verzögerungen von mehr als 6 Monaten
Niedrigpreis-Strategie (93-97 % des Marktwerts):
- Beste Wahl für: Sanierungsbedürftige Objekte oder wenn du schnell verkaufen musst
- Vorteil: Schnelle Besichtigungsrunden, oft mehrere Angebote
- Nachteil: Käufer denken, es gibt etwas verstecktes - du musst den Zustand besonders gut erklären
Die Daten zeigen: Wer die marktgerechte Strategie wählt, verkauft schneller und mit weniger Stress. Wer die Hochpreis-Strategie wählt, riskiert einen langen Verkauf - und am Ende weniger Geld.
Was du jetzt tun musst - Schritt für Schritt
Das ist kein Ratgeber für „vielleicht mal“. Das ist dein Handlungsplan.
- Finde den echten Marktwert: Nutze die Datenbank des Gutachterausschusses - sie hat aktuelle Vergleichspreise für 98 Prozent aller deutschen Gemeinden. Keine Online-Tools, keine Vermutungen. Nur echte Verkaufspreise aus deiner Straße, deinem Viertel.
- Entscheide dich für eine Strategie: Wo liegst du? In einer Topstadt? Dann 105-110 %. In einer ländlichen Gegend? Dann 100-103 %. Hast du Sanierungsbedarf? Dann 95-97 %.
- Erstelle eine Liste deiner Stärken: Was macht deine Immobilie besonders? Balkon mit Blick? Neues Dach? Nahverkehr? Schreibe alles auf. Das hilft dir, bei Besichtigungen zu überzeugen - nicht zu verhandeln.
- Starte mit dem richtigen Timing: Beginne im März oder September. Nicht im Dezember. Nicht im August.
- Beobachte, nicht panisch: Warte 4-6 Wochen. Wenn du keine Angebote hast, senkst du um 2-3 %. Nicht mehr. Nicht früher.
- Wenn du Bieterverfahren willst: Mache es professionell. 14 Tage Vorlauf. Schriftliche Vereinbarung. Keine Geheimnisse.
Das ist kein Glücksspiel. Das ist Wissenschaft. Und wer sie anwendet, verkauft schneller - und mit mehr Geld.
Was du nicht tun solltest
- Verkaufe nicht mit einem Preis, der deinem Herzen entspricht - sondern dem Markt.
- Senke nicht, weil du dich schlecht fühlst. Senke, weil die Daten es verlangen.
- Vermeide abrupte Preissenkungen. Sie senden ein Signal: „Da ist etwas schief.“
- Verwende kein Bieterverfahren, wenn du weniger als 15 ernsthafte Interessenten hast.
- Vertraue nicht auf Vermittler, die dir sagen: „Mach’s höher - ich verkaufe es schneller.“ Sie verdienen, egal ob du viel oder wenig bekommst.
Deine Immobilie ist kein emotionales Erbe. Sie ist ein Vermögenswert. Behandle sie so.
Wie finde ich den echten Marktwert meiner Immobilie?
Nutze die kostenlose Marktdatenbank des Gutachterausschusses deiner Gemeinde. Dort findest du echte Verkaufspreise von Immobilien, die in deiner Straße oder in direkter Nachbarschaft verkauft wurden - inklusive Quadratmeterpreis, Baujahr und Zustand. Online-Tools wie ImmobilienScout24 sind nur eine grobe Orientierung. Der Gutachterausschuss liefert die Daten, die Banken und Käufer wirklich nutzen.
Soll ich ein Bieterverfahren durchführen?
Nur, wenn du mindestens 15 ernsthafte Interessenten hast. Sonst riskierst du, unter dem Marktwert zu verkaufen. Ein Bieterverfahren funktioniert nur mit Konkurrenz. Wenn du nur 3-5 Interessenten hast, wähle eine marktgerechte Preisstrategie mit leichtem Spielraum - 103-105 % des Marktwerts. Das bringt dir mehr Sicherheit und oft denselben oder sogar höheren Preis.
Warum senke ich nicht sofort, wenn nichts passiert?
Weil Käufer Preissenkungen als Zeichen von Verzweiflung interpretieren. Sie denken: „Warum wird das Ding jetzt plötzlich billiger? Hat es etwas versteckt?“ Warte 4-6 Wochen. Wenn du mindestens drei Besichtigungen hattest - aber keine Angebote - dann senkst du um 2-3 %. Das ist kein Signal der Panik. Das ist eine strategische Korrektur.
Ist ein höherer Ankerpreis immer besser?
Nein. Nur in Top-Lagen mit hoher Nachfrage - wie München oder Frankfurt - funktioniert ein Ankerpreis von 110-115 % noch. In ländlichen Regionen oder bei Einfamilienhäusern führt das zu Vermarktungszeiten von 8-12 Monaten. In der Praxis verlieren Verkäufer dabei oft 20-30 % ihres möglichen Gewinns. Der Ankerpreis ist kein Spielraum für Wünsche - er ist ein Instrument der Marktanalyse.
Wie lange dauert es, eine gute Preisstrategie umzusetzen?
Erfahrene Verkäufer brauchen 3-4 Wochen, um die richtige Strategie zu finden und umzusetzen - inklusive Marktrecherche, Analyse der Immobilie und Vorbereitung der Verkaufsunterlagen. Einsteiger brauchen bis zu 8 Wochen. Der Schlüssel ist nicht der Preis. Der Schlüssel ist die Vorbereitung. Wer sich gut vorbereitet, verkauft schneller - und mit mehr Geld.