Als Bauherr denken Sie vielleicht: Ich habe einen Handwerker engagiert, also ist er verantwortlich. Doch das ist ein gefährlicher Irrtum. Selbst wenn alles nach Plan läuft, bleiben Sie als Bauherr juristisch mitverantwortlich - und das kann teuer werden. Ein Kind fällt in einen ungesicherten Graben, ein Nachbarhaus reißt wegen Tiefbauarbeiten ein, ein angeblich selbstständiger Arbeiter wird als Scheinselbstständiger entlarvt: In jedem Fall kann die Haftung direkt bei Ihnen landen. Und Warnschilder wie „Achtung, Baustelle - Betreten auf eigene Gefahr“ helfen gar nichts. Sie haben keine rechtliche Wirkung.
Wer haftet wirklich, wenn etwas schiefgeht?
Die Verkehrssicherungspflicht ist das Herzstück der Bauherrenhaftung. Sie entsteht, weil Sie die Baustelle veranlasst haben. Sie haben die Gefahrenquelle geschaffen. Deshalb tragen Sie die primäre Verantwortung - unabhängig davon, wer die Arbeiten ausführt. Selbst wenn Sie einen erfahrenen Bauunternehmer beauftragt haben, bleibt die Pflicht, sicherzustellen, dass die Baustelle wirklich sicher ist. Das hat der Bundesgerichtshof schon 1992 klargestellt: Der Bauherr ist der Veranlasser, also auch der Verantwortliche.
Ein konkretes Beispiel: Ein Innenhof wird als Baustelle genutzt. Es gibt nur eine schwache Flatterleine als Absperrung. Abends kommen Anwohner, Restaurantmitarbeiter und Kinder durch den Hof. Keine Beleuchtung. Kein fester Zaun. Ein Passant stürzt in eine offene Grube und bricht sich das Bein. Das Oberlandesgericht München hat 2018 entschieden: Der Bauherr muss mitzahlen. Der Unternehmer hat versagt, aber der Bauherr hat nicht kontrolliert. Und das reicht, um ihn mitverantwortlich zu machen.
Es geht nicht darum, wer den Fehler gemacht hat. Es geht darum, wer die Kontrolle hatte. Und als Bauherr haben Sie die Kontrolle - auch wenn Sie den Bau nicht selbst ausführen.
Was passiert, wenn Nachbarn Schäden erleiden?
Sie bauen um, bohren, rammen, graben - und plötzlich reißen die Wände Ihres Nachbarn. Fenster fallen heraus, Decken lecken. Sie denken: „Das liegt doch am Altbau.“ Doch das ist kein Schutz. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat 2016 entschieden: Selbst wenn das Nachbarhaus vorher schon Risse hatte, sind Sie haftbar, wenn Ihre Arbeiten die Risse vergrößert haben. In diesem Fall wurden Eisenträger zu nah an das Nachbarhaus gerammt - ein klarer Verstoß gegen die Regeln der Baukunst. Die Baufirma musste 20.000 Euro zahlen. Aber: Der Bauherr hätte prüfen müssen, ob die Methode sicher ist. Ein geotechnisches Gutachten vorher hätte den Schaden verhindert.
Das ist kein Einzelfall. Tiefbauarbeiten in Wohngebieten sind eine der häufigsten Ursachen für Nachbarschaftsstreitigkeiten und Gerichtsverfahren. Und oft enden sie mit einer Rechnung, die der Bauherr bezahlen muss - selbst wenn der Unternehmer die Schuld trägt. Warum? Weil der Schaden auf Ihrem Grundstück entstanden ist. Und Sie sind der Grundstückseigentümer.
Die unsichtbare Gefahr: Scheinselbstständige
Ein Handwerker kommt, sagt er ist selbstständig, rechnet mit Barzahlung, keine Sozialversicherungsabgaben. Klingt günstig. Ist es aber nicht. Wenn das Finanzamt oder die Krankenkasse später feststellt, dass die Person eigentlich wie ein Angestellter arbeitet - feste Arbeitszeiten, Vorgaben, keine eigene Kundenakquise - dann wird sie als Scheinselbstständiger eingestuft. Und plötzlich haften Sie.
Als Bauherr sind Sie dann verantwortlich für die nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge. Das kann schnell 10.000, 20.000 oder mehr Euro kosten. Und das ist nicht alles. Wer vorsätzlich Sozialversicherungsbeiträge vorenthält, begeht nach § 266a StGB eine Straftat. Die Strafe: Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft. Geschäftsführer und Auftraggeber können nach § 130 OWiG persönlich belangt werden - sogar wenn sie nur „nicht aufgepasst“ haben. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) greift ebenfalls: Wer eine Person als Selbstständigen einsetzt, obwohl sie wie ein Angestellter arbeitet, begeht illegale Arbeitnehmerüberlassung.
Und was ist mit den Unternehmern? Wenn sie pleite sind, kann die Sozialversicherung direkt Sie verklagen. Kein Vertrag, kein Schutzbrief, kein „Ich wusste nichts“ - das hilft nicht. Sie müssen prüfen, ob die Handwerker wirklich selbstständig sind. Fragen Sie nach Gewerbeschein, Versicherungsbestätigung, Kundenliste. Und halten Sie das dokumentiert.
Die richtige Absicherung: Was die Versicherung wirklich deckt
Die einzige echte Absicherung gegen diese Risiken ist die Bauherrenhaftpflichtversicherung. Sie ist kein Luxus - sie ist Pflicht. 78 % der privaten Bauherren in Deutschland haben sie. Bei Gewerbeobjekten liegt die Quote bei fast 100 %. Warum? Weil die Risiken zu groß sind.
Diese Versicherung zahlt, wenn:
- Eine Person auf Ihrer Baustelle verletzt wird
- Ihr Nachbar ein Haus beschädigt bekommt
- Eine Baustelle Schäden an öffentlichen Wegen verursacht
- Eine Scheinselbstständigkeit zu Nachzahlungen führt (nur wenn explizit eingeschlossen)
Die Kosten? Bei einem Einfamilienhaus liegen sie bei 0,3 bis 0,5 % der gesamten Baukosten. Für ein Haus mit 300.000 Euro Baukosten sind das also zwischen 900 und 1.500 Euro - für einen Schutz, der bis zu mehreren hunderttausend Euro Schadensersatz abdeckt.
Aber Achtung: Nicht jede Versicherung ist gleich. Viele Policen schließen Sanierungen von Altbauten oder Sonderkonstruktionen aus. Fragen Sie genau: Deckt die Versicherung auch Schäden durch Tiefbau, Setzungen, Brandschutzmängel bei Dämmarbeiten? Lassen Sie sich den Versicherungstext zeigen - nicht nur die Werbebroschüre.
Was Sie selbst tun müssen - und was Sie nicht tun dürfen
Ein Versicherungsschutz ersetzt keine aktive Kontrolle. Sie müssen selbst prüfen, ob die Baustelle sicher ist. Hier sind drei konkrete Schritte, die Sie nicht ignorieren dürfen:
- Prüfen Sie die Absperrung: Eine Flatterleine reicht nicht. In Wohngebieten brauchen Sie mindestens 2 Meter hohe, feste Bauzäune mit stabilen Fundamenten. Keine Klapptüren, keine losen Planken.
- Sorgen Sie für Beleuchtung: Wenn es dunkel wird, muss die Baustelle und der Zugang sicher beleuchtet sein. Sonst wird es zur Falle für Kinder, Nachbarn, Lieferanten.
- Halten Sie Dokumente bereit: Bewahren Sie Gewerbescheine, Versicherungsbestätigungen und Verträge auf. Wenn die Behörde kommt, brauchen Sie Nachweise - nicht nur Worte.
Und das Wichtigste: Wenn Sie sehen, dass ein Handwerker keine Sicherheitsausrüstung mitbringt - z.B. keine Leitern, keine Schutznetze, keine Warnwesten - dann sagen Sie: „Nein, so geht das nicht.“ Sie haften nicht, wenn der Handwerker etwas falsch macht - aber Sie haften, wenn Sie es sehen und nichts tun.
Die Zukunft: Digitalisierung als Schutz
Heute gibt es Tools, die Ihnen helfen, Ihre Verantwortung besser zu erfüllen. Drohnen können täglich die Baustelle fotografieren - und zeigen, ob Zäune stehen, ob Abfall weggeräumt ist, ob Gefahrenstellen markiert sind. Fotos mit Datum und Ort sind Ihre beste Verteidigung, wenn später jemand behauptet, die Baustelle sei unsicher gewesen.
Einige Bauherren nutzen auch digitale Checklisten: Jeden Morgen prüfen sie mit dem Bauleiter, ob alles in Ordnung ist. Unterschrift, Datum, Foto - und abgespeichert. Das ist kein Aufwand - das ist Versicherung.
Die Gerichte werden immer strenger. Die Sozialversicherung prüft häufiger. Die Risiken steigen - besonders bei energetischen Sanierungen, wo falsche Dämmung zu Feuchtigkeit, Schimmel und sogar Bränden führen kann. Die Zeit, in der man einfach „vertraut“ hat, ist vorbei.
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Ein Unfall auf Ihrer Baustelle - und Sie haben keine Versicherung? Dann zahlen Sie selbst. Ein Nachbar klagt auf 50.000 Euro Schadensersatz? Dann verkaufen Sie Ihr Haus, um zu bezahlen. Ein Scheinselbstständiger wird entlarvt? Dann zahlen Sie 25.000 Euro Nachzahlungen - plus Strafe. Und vielleicht sitzen Sie auch im Gefängnis.
Es ist nicht die Frage, ob etwas schiefgeht. Es ist die Frage, ob Sie vorbereitet sind.
Frequently Asked Questions
Kann ich die Haftung komplett auf den Bauunternehmer übertragen?
Nein. Selbst wenn der Vertrag sagt, dass der Unternehmer alle Haftungen trägt, bleibt der Bauherr nach dem allgemeinen Deliktsrecht (§ 823 BGB) mitverantwortlich. Der Bauherr ist der Veranlasser der Baumaßnahme und trägt die Verkehrssicherungspflicht. Ein Vertrag kann diese gesetzliche Pflicht nicht aufheben. Der Bauherr muss aktiv prüfen, ob die Sicherungsmaßnahmen des Unternehmers ausreichend sind.
Helfen Warnschilder wie „Betreten auf eigene Gefahr“?
Nein. Warnschilder haben keine rechtliche Wirkung, wenn es um die Verkehrssicherungspflicht geht. Selbst wenn ein Schild „Eltern haften für ihre Kinder“ steht, haftet der Bauherr weiterhin, wenn ein Kind auf der Baustelle verletzt wird. Die Pflicht, die Baustelle sicher zu machen, bleibt bestehen - unabhängig von Warnhinweisen.
Was kostet eine Bauherrenhaftpflichtversicherung?
Die Kosten liegen bei privaten Ein- und Zweifamilienhäusern zwischen 0,3 % und 0,5 % der gesamten Baukosten. Bei einem Haus mit 300.000 Euro Baukosten bedeutet das 900 bis 1.500 Euro. Bei gewerblichen Projekten sind es 0,6 % bis 0,8 %. Die Versicherung deckt Personen- und Sachschäden, die Dritte durch die Baustelle erleiden - inklusive Nachbarschäden und Unfälle auf öffentlichen Wegen.
Wann ist ein Handwerker ein Scheinselbstständiger?
Ein Handwerker gilt als Scheinselbstständiger, wenn er zwar als selbstständig deklariert ist, aber wie ein Angestellter arbeitet: feste Arbeitszeiten, Vorgaben vom Bauherrn, keine eigene Kundenakquise, keine eigene Kosten- und Gewinnverantwortung. Wenn er nur für Sie arbeitet und keine anderen Kunden hat, ist das ein klares Warnsignal. Die Sozialversicherung prüft genau, ob die Person wirklich selbstständig ist - und wenn nicht, haften Sie für die fehlenden Beiträge.
Brauche ich eine Versicherung, wenn ich selbst baue?
Ja. Selbst wenn Sie selbst bauen und keine Handwerker einsetzen, haften Sie als Bauherr für alle Schäden, die Dritte erleiden. Wenn ein Besucher stolpert, weil Sie keine Absperrung aufgestellt haben, oder ein Nachbar durch Ihre Fundamentarbeiten Schäden an seinem Haus hat, sind Sie haftbar. Eine Bauherrenhaftpflichtversicherung ist auch für Selbstbauer unerlässlich.