Beim Immobilienkauf geht es nicht nur um den Preis, die Lage oder die Anzahl der Zimmer. Der entscheidende Faktor, der später teuer werden kann, ist oft unsichtbar: Bauschäden. Viele Käufer glauben, eine Besichtigung reicht aus. Doch was im Licht der Wohnzimmerlampe sauber wirkt, kann im Keller oder hinter der Fassade ein verstecktes Problem sein. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) entstehen 41 Prozent aller Bauschäden durch fehlerhafte Bauausführung - und viele davon bleiben bei einer oberflächlichen Begutachtung völlig unentdeckt.
Was genau sind Bauschäden?
Bauschäden sind materielle Schäden am Gebäude, die nicht von Anfang an da waren, sondern sich im Laufe der Zeit entwickeln. Das unterscheidet sie von Baumängeln, die schon bei der Fertigstellung vorhanden sind. Ein Bauschaden kann durch Feuchtigkeit, Frost, falsche Dämmung, unzureichende Belüftung oder auch durch schlechte Materialien entstehen. Er zeigt sich oft erst nach Jahren - und dann meist mit hohen Kosten.
Typische Schadensbilder sind Risse im Mauerwerk, Schimmel an Wänden, feuchte Kellerwände, abplatzender Putz oder Korrosion an Metallträgern. Einige davon sind optisch leicht zu erkennen - andere brauchen Messgeräte, um sichtbar zu werden. Die meisten Käufer ignorieren diese Warnsignale, weil sie nicht wissen, worauf sie achten müssen.
Die fünf häufigsten Bauschäden und wie du sie erkennst
- Feuchtigkeit und Schimmel: Ein feuchter Keller oder dunkle Flecken an Außenwänden sind klare Warnzeichen. Aber auch scheinbar trockene Räume können ein Problem haben: Wenn die Raumluftfeuchte über 70 Prozent steigt, beginnt Schimmel zu wachsen - oft unsichtbar hinter Möbeln oder unter Teppichen. Ein Feuchtigkeitsmesser (ab 120 Euro) zeigt dir den Wert genau an. Bei Werten über 65 Prozent solltest du misstrauisch werden.
- Risse im Mauerwerk: Nicht jeder Riss ist gefährlich. Dünnere, netzartige Risse in der Putzschicht sind oft nur Oberflächenprobleme. Aber vertikale, horizontale oder diagonale Risse, die durch mehrere Stockwerke laufen und die Fugen des tragenden Mauerwerks nachzeichnen, deuten auf Setzungen oder statische Probleme hin. Besonders kritisch sind Risse, die sich im Laufe der Zeit vergrößern. Ein einfacher Rissmessschieber (ab 25 Euro) hilft dir, die Breite zu messen - Risse über 3 Millimeter brauchen eine professionelle Prüfung.
- Dach- und Fassadenschäden: Ein undichtes Dach ist oft die Ursache für Feuchtigkeit im Dachgeschoss. Schau dir die Dachrinnen an: Sind sie verstopft? Gibt es lose Ziegel oder Risse im Dachdeckungsmaterial? An der Fassade: Ausblühungen (weiße, salzige Ablagerungen) deuten auf eindringende Feuchtigkeit hin. Holzverschalungen mit aufquellenden Kanten oder weichen Stellen sind ein Zeichen von Holzschimmel oder Holzzerfall.
- Installationsmängel: Eine alte Heizung ist kein Schaden - aber wenn Leitungen undicht sind, Wasser in den Fußboden sickert oder Elektrokabel in feuchten Bereichen verlegt wurden, ist das ein Risiko. Prüfe die Sanitäranlagen: Tropft der Wasserhahn auch nach Jahren noch? Ist der Abfluss langsam? Sind die Heizkörper kalt, obwohl die Leitungen warm sind? Das kann auf Luft im System oder verstopfte Rohre hindeuten.
- Energetische Mängel: Kältebrücken, schlechte Dämmung oder undichte Fenster führen nicht nur zu hohen Heizkosten, sondern auch zu Kondenswasserbildung. Wenn du an einer Außenwand einen kalten Fleck spürst - oder wenn sich Kondenswasser an den Fensterscheiben bildet - liegt oft eine Wärmebrücke vor. Ein Infrarot-Thermometer (ab 80 Euro) zeigt dir Temperaturunterschiede an der Wand an. Unterschiede von mehr als 5 Grad Celsius sind ein deutliches Signal.
Warum eine professionelle Besichtigung so wichtig ist
Ein Laienauge übersehen 68 Prozent der Schäden, wie eine Analyse von Immobilien-Sachverstand-Bochum belegt. Was du mit bloßem Auge siehst, ist oft nur die Spitze des Eisbergs. Feuchtigkeit in der Wand, versteckte Risse im Fundament oder korrodierte Stahlträger im Boden - das alles lässt sich nur mit speziellen Geräten nachweisen.
Ein unabhängiger Bausachverständiger arbeitet systematisch: von unten nach oben. Er prüft den Keller, die Außenwände, das Dach, die Installationen und die Dämmung. Er misst die Feuchtigkeit, untersucht Risse mit Laser-Technik und dokumentiert alles mit Fotos und Messwerten. Eine solche Begutachtung kostet zwischen 300 und 800 Euro - aber sie kann dir Tausende ersparen.
Ein Beispiel: Ein Käufer in Linz beauftragte einen Sachverständigen, der im Keller feuchte Stellen fand, die durch normale Besichtigung nicht sichtbar waren. Die Sanierungskosten lagen bei 8.200 Euro - und wurden direkt in den Kaufpreis einbezogen. Ohne Gutachten hätte er diesen Betrag später selbst bezahlt.
Was du vor der Besichtigung prüfen solltest
Die Besichtigung allein reicht nicht. Du musst auch die Dokumente prüfen. Laut BSB e.V. deckt eine reine Visite ohne Unterlagen nur 55 Prozent der Schäden auf. Hier ist, was du verlangen solltest:
- Exposé mit Grundrissen, Fotos und Angaben zur Bauart
- Energieausweis (gültig seit 2023 mit detaillierten Wärmebrückenangaben)
- Baubeschreibung und Baupläne (besonders die Fundament- und Dachkonstruktion)
- Grundbuchauszug und Flurkartenauszug (um eventuelle Baurechte oder Lasten zu prüfen)
- Rechnungen zu früheren Sanierungen (z. B. Dach, Fenster, Heizung)
- Wohn- und Kubaturberechnungen (für die korrekte Bewertung der Fläche)
Wenn der Verkäufer diese Unterlagen nicht bereitstellt, ist das ein Warnsignal. Ein seriöser Verkäufer hat nichts zu verbergen. Ein Gutachter braucht diese Unterlagen, um den Zustand richtig einordnen zu können.
Wie du einen unabhängigen Sachverständigen findest
Nicht jeder Gutachter ist unabhängig. Viele arbeiten mit Bauunternehmen zusammen - und geben dann sanfte Gutachten. Der Verband der Deutschen Sachverständigen und Fachgutachter (VDS) hat strenge Regeln für Unabhängigkeit eingeführt. 87 Prozent der registrierten Gutachter halten sich daran.
So findest du einen seriösen Experten:
- Suche nach VDS-zertifizierten Sachverständigen (www.vds-online.de)
- Prüfe die Google-Bewertungen - die durchschnittliche Bewertung liegt bei 4,2 von 5 Sternen
- Frage nach konkreten Messmethoden: Benutzt er Feuchtigkeitsmesser, Lasermessgeräte, Infrarotkameras?
- Vermeide Angebote unter 300 Euro - das ist oft nur eine oberflächliche Visite
- Frage nach der Rechnungsstruktur: Sollte er nur für die Prüfung bezahlt werden, oder auch für die Auswertung?
Ein guter Gutachter erklärt dir nicht nur, was kaputt ist - er sagt dir auch, wie du es beheben kannst, wie lange es dauert und wie viel es kostet. Das ist der entscheidende Mehrwert.
Was du nach der Besichtigung tun solltest
Wenn der Gutachter Schäden findet, gehst du nicht sofort zum Anwalt. Du holst dir erst Kostenvoranschläge von mindestens zwei Handwerkern. Vergleiche die Angebote. Prüfe, ob die Schäden behebbar sind - oder ob sie die Substanz des Gebäudes gefährden.
Einige Schäden sind leicht zu beheben: ein undichter Wasserhahn, eine verstopfte Dachrinne, ein fehlender Dämmstreifen. Andere sind schwerwiegend: feuchte Fundamente, tragende Risse, Schimmel in der Wandkonstruktion. Hier hilft die Bauteiletabelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte: Sie sagt dir, wie viel Wert das Haus verloren hat.
Wenn die Schäden teuer sind, verhandle den Kaufpreis neu. Oder gehe einfach weiter. Ein Haus mit 25.000 Euro Sanierungskosten, die du nicht erwartet hast, ist kein Schnäppchen - es ist eine finanzielle Falle.
Was du selbst mit wenig Geld prüfen kannst
Du musst nicht gleich einen Sachverständigen beauftragen, um erste Hinweise zu bekommen. Mit ein paar einfachen Werkzeugen kannst du selbst aktiv werden:
- Feuchtigkeitsmesser: Mess an Wänden, besonders in Ecken, hinter Möbeln, im Keller. Werte über 65 Prozent sind kritisch.
- Rissmessschieber: Miss die Breite von Rissen. Über 3 mm? Dann ist es kein Putzriss - das ist ein Baustellenriss.
- Infrarot-Thermometer: Zeigt dir Temperaturunterschiede an Wänden. Kältebrücken sind oft die Ursache für Schimmel.
- Handy-Kamera: Mache Fotos von verdächtigen Stellen - besonders von Rissen, Feuchtigkeit und Ausblühungen. Vergleiche sie später mit dem Gutachten.
Ein kleiner Tipp: Klebe kleine Gipshaufen über Risse. Wenn sie nach einigen Wochen reißen, hat sich der Riss vergrößert. Eine einfache, kostengünstige Methode - aber keine Ersatzlösung für professionelle Messungen.
Warum du nicht warten solltest
Ein Bauschaden wird nicht besser - er wird schlimmer. Feuchtigkeit frisst das Mauerwerk, Schimmel verbreitet sich, Risse breiten sich aus. Was heute noch ein kleiner Fleck ist, kann in zwei Jahren eine Sanierung von 20.000 Euro kosten.
Prof. Dr. Markus Krüger von der RWTH Aachen sagt: "62 Prozent der Schäden werden erst durch professionelle Messgeräte sichtbar. Wer nur mit den Augen schaut, sieht nur die Hälfte der Wahrheit."
Die Zahlen sprechen für sich: Käufer, die einen Sachverständigen beauftragt haben, mussten 78 Prozent weniger unerwartete Schäden nach dem Kauf hinnehmen. Die durchschnittlichen Kosten pro unerwartetem Schaden lagen bei 14.500 Euro. Das ist mehr als der Preis eines guten Gebrauchtwagens.
Ein Immobilienkauf ist die größte Investition in deinem Leben. Du prüfst den Motor eines Autos, bevor du es kaufst. Warum nicht auch das Haus? Die Zeit, die du in eine professionelle Besichtigung investierst, spart dir Jahre der Sorgen und Tausende an Euro.